Forschung
Was macht ein Molekül des Immunsystems auf Blutplättchen? Wie sind zelluläre Signalketten organisiert? Diese und andere Fragen haben mich rund 20 Jahre lang beschäftigt.
Diese Grundlagenforschung erfolgte in zwei Berliner Arbeitsgruppen. Zuerst bei Richard Kroczek am Robert Koch-Institut. Später bei Enno Klußmann und Walter Rosenthal am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP).
CD154 und Blutplättchen
Die Natur ist sparsam mit ihren Ressourcen: Oft nutzt sie bereits vorhandene Moleküle, um ihnen eine neue Funktion zu geben. Ein Beispiel dafür ist der Rezeptor CD154, der im Mittelpunkt meiner Doktorarbeit am Robert Koch-Institut stand.
CD154 ermöglicht die Reifung von Antikörpern, um eingedrungene Erreger besser zu erkennen und unschädlich zu machen. Diese Funktion ist eng mit einer bestimmten Art von Immunzellen verknüpft, den T-Lymphozyten. Deshalb war es eine Überraschung, als eine Kollegin CD154 ausgerechnet auf Blutplättchen entdeckte. Was macht eine Zelle des Gerinnungssystems mit diesem Rezeptor?
Im Rahmen meiner Doktorarbeit konnten wir zeigen, dass CD154 an der Auslösung einer Entzündung beteiligt ist: Nach Kontakt mit diesem Rezeptor setzen Zellen der Gefäßwand Substanzen frei, die Immunzellen anlocken und ihnen das Eindringen in verletztes Gewebe ermöglichen. CD154 auf Blutplättchen wirkt also wie ein Alarmsignal, das auf mögliche Gefahren aufmerksam macht.
In vielen medizinischen Kliniken wurde daraufhin untersucht, ob der Nachweis von freigesetztem CD154 Rückschlüsse auf Erkrankungen oder Störungen des Gefäßsystems zulässt. Zu einer medizinischen oder diagnostischen Anwendung haben diese Studien jedoch noch nicht geführt.
AKAPs und der Wassertransport
Informationen sammeln und verarbeiten - jede einzelne Körperzelle kann nur überleben, wenn sie sich intensiv mit ihrer Umgebung austauscht. Tausende unterschiedliche Zellmoleküle leiten Signale von außen nach innen und umgekehrt. Eine Situation, die in völligem Chaos enden könnte.
Am Beispiel der Proteinkinase A (PKA) wird deutlich, wie Ordnung in die Signalwege gebracht werden kann. Die PKA spielt eine wichtige Rolle bei so unterschiedlichen Vorgängen wie Stoffwechsel, Entwicklung und Herzfunktion. Entsprechend viele Reize schalten die PKA an, woraufhin sie - zumindest theoretisch - Hunderte anderer Proteine chemisch verändern könnte.
Tatsächlich werden aber nur wenige ausgewählte Proteine verändert: Jedem Reiz wird genau die passende Wirkung zugeordnet. Die Signalwege vermischen sich nicht. Um dies zu gewährleisten, bedient sich die Zelle einer Familie von Proteinen, den sogenannten AKAPs.
AKAPs haben drei wichtige Eigenschaften: Sie binden fest an die PKA, sie verankern sich an verschiedenen Stellen in der Zelle, und sie können noch weitere Signalmoleküle herbeirufen.
Am FMP habe ich mit zwei AKAPs gearbeitet. Das AKAP18δ bindet die PKA an Transporteinheiten der Zelle und trägt so dazu bei, dass diese Einheiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommen. Das zweite AKAP war Ht31. Es ist ein sehr großes Protein und bindet neben der PKA noch zahlreiche andere Mitglieder einer bestimmten Signalkette.
Das natürliche Zusammenspiel von PKA und AKAP scheint bei manchen Erkrankungen gestört zu sein. Enno Klußmann und seine Gruppe arbeiten an Substanzen, die in die Bindung zwischen PKA und AKAP eingreifen - in der Hoffnung, dass derartige Substanzen in Zukunft therapeutisch eingesetzt werden können.
Publikationen
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